|
Rückkehr des Kruzifixes HINTERGRUND "Man macht sich Gedanken über die Qual" EISENBERG: Guido Schwalb hat Kruzifix, das in der alten Simultankirche hing, nachgebildet VON UNSEREM MITARBEITER HERMANN SCHÄFER Das Kruzifix, das bis zu ihrem Abriss im Jahre 1898 im Chorgewölbe der von den beiden Konfessionen genutzten Simultankirche hing, kehrt wieder nach Eisenberg zurück. In einer ökumenischen Andacht in der Protestantischen Kirche am Karfreitag wird eine vom Wattenheimer Künstler Guido Schwalb angefertigte Nachbildung des Holzkreuzes mit Corpus als Symbol der Einheit an der Stirnseite der rechten Empore enthüllt. Das Original hängt seit 1958 als Dauerleihgabe der Protestantischen Kirchengemeinde im Historischen Museum der Pfalz in Speyer, nachdem es auf Veranlassung von Freiherr von Gienanth im Altertumsmuseum Mainz restauriert worden war. Der Schöpfer des prachtvollen Kruzifix, das - so heißt es in der Eisenberger Chronik - "ein Werk der mittelrheinischen, spätgotischen Plastik" ist, ist bis jetzt unbekannt. Wann das Kreuz nach Eisenberg kam, ist ebenfalls nicht überliefert. Es wird vermutet, dass es zunächst unter einem eigenen Schutzbau im Freien stand und erst nach dem Neubau des Langhauses im letzten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts in die Kirche kam. Nach dem Abbruch der Simultankirche wurde das Kreuz auf einem Dachboden zwischengelagert und kam dann in die Sakristei der neuen protestantischen Kirche, wo es zusammen mit den Schlesinger-Bildern von Luther und Zwingli aufbewahrt wurde. Das Original unterliegt als besonderes, erhaltungswürdiges Kunstwerk den Richtlinien des Denkmalschutzes und hängt in einem besonders temperierten und geschützten Museumsraum, wo es besichtigt werden kann. Und genau das hat Guido Schwalb gemacht. Aber über die reine Betrachtung hinaus hat er sich mit Hilfe des RHEINPFALZ-Fotografen Reinhold Reichel im wahrsten Sinne des Wortes unter ständiger Videoüberwachung durch die Museumswächter ein Bild von dem Kunstwerk gemacht. Genauso wie die mittelalterlichen Meister, die sich viel von anderen Kollegen abgeguckt haben, nahm Schwalb die Eindrücke mit in sein Wattenheimer Atelier, wo er nach Ostern letzten Jahres mit der Arbeit begann. Das Lindenholz für den Corpus lieferte die Eisenberger Schreinerei Eckel, die auch die Haltekonstruktion für das Kreuz anfertigte.
Eigentlich habe er sich vier Jahre Zeit für die Schnitzerei vorgenommen, sagt Schwalb im RHEINPFALZ-Gespräch, aber er sei von dieser Arbeit so gefangen genommen worden, dass er in bedeutend kürzerer Zeit fertig wurde. Wie viele Stunden er mit dem Schnitzmesser das Holz bearbeitet hat, kann er nicht sagen, "weil ich nicht auf die Uhr geschaut habe". Es waren Stunden am Stück, aber manchmal musste er bereits nach zehn Minuten die Arbeit wieder unterbrechen und zwischendrin abschalten. Denn, so der Künstler, "man macht sich schon Gedanken über die Todesart und die Qualen, die ein Mensch dabei erleidet" und je näher sich das Werk seiner Fertigstellung nähert, desto mehr bekommt es die Ähnlichkeit mit einem Toten. Ein Kruzifix in diesem Stil zu schnitzen habe er als große psychische Belastung empfunden, die durchgestanden werden musste, sagt Schwalb. Insgesamt ist die Nachbildung gelungen und insbesondere mit den erst durch die Fotografie sichtbar gemachten Details wie Zähnen und Zunge im gequält geöffneten Mund kann ein Laie wahrscheinlich Original und Nachbildung nicht ohne weiteres auseinander halten. Bleibt das größte Rätsel noch zu lösen, das es mit dem Kruzifix auf sich hat: Schwalb, der nicht für sich in Anspruch nimmt, ein Experte auf diesem Gebiet zu sein, ist der felsenfesten Überzeugung, dass es sich beim Original um ein Werk des berühmten Tilmann Riemenschneider (um 1440 bis 1531) handelt. Als Beleg dafür führt er eine Vielzahl von Büchern an, deren Abbildungen von Riemenschneider-Werken eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem in Speyer hängenden Original aufwiesen. Die Hoffnung, dass sich Kunsthistoriker intensiv in dieser Richtung mit dem Kruzifix beschäftigen werden, hat Schwalb noch nicht aufgegeben. KURZ-INFO: Die Rheinpfalz - Nr. 87 - Donnerstag, 12. April 2001 Verpflichtung und Mahnung EISENBERG: Schwalb'sches Kreuz in evangelischer Kirche enthüllt In einer ökumenischen Andacht, zu der sich am Karfreitagabend in der Protestantischen Kirche zahlreiche Angehörige beider Konfessionen einfanden, wurde das von Guido Schwalb geschnitzte Kruzifix (wir berichteten am Gründonnerstag) feierlich enthüllt und geweiht. Die Nachbildung erinnert an das im Speyerer Museum aufbewahrte kostbare Original, das in der vor über hundert Jahren abgerissenen Simultankirche seinen Platz hatte. Marek Dydo von der katholischen Pfarrgemeinde knüpfte in seiner Ansprache Bezüge zum Karfreitagsgeschehen und Hausherr Friedrich Schmidt stellte die Bedeutung des Kreuzes als Verpflichtung und Mahnung zur Einheit der Christen heraus. Schmidt verlas einen Brief Gustav Eichlings, in dem er seine Freude über das gelungene Schwalb'sche Werk mitteilte. Eichling hatte die Idee, das Kreuz nachschnitzen zu lassen und somit an seinen ursprünglich Standort zurück zu holen, da das Original, das jedoch immer noch im Besitz der Kirchengemeinde ist, wegen Denkmalschutzes im Museum verbleiben muss. Das Zeichen des Kreuzes, nicht nur im Brotstempel, habe Eisenberg über Jahrhunderte geprägt, sagte Guido Schwalb, und erinnerte daran, dass beide Kirchen in ihrem Grundriss als Kreuz erbaut sind. Im Anschluss an die Andacht nutzten die Besucher die Möglichkeit, das an der Stirnseite der Empore angebrachte beeindruckende Kreuz aus der Nähe zu betrachten. (hsc) Die Rheinpfalz - Nr. 90 - Mittwoch, 18. April 2001 |
||||
|
Gemeindebrief Blick - Jahresübersicht
|