Kirchenfenster
Fenster in der Apsis
Fenster über dem Ausgang
I.
die Kunst der Glasmalerei, also aus farbigen Scherben Fenster mit figürlichen und ornamentalem Schmuck zu gestalten, ist keine antike Technik, sie ist vielmehr im Mittelalter entstanden. Bischof Gregor von Tours hat um 560 die Martinskirche in Tours mit ornamentalen farbigen Scheiben geschmückt. In der Abteikirche von Verden an der Aller und in Tegernsee und in der Kathedrale von Reims, von denen und schriftliche Überlieferungen erhalten sind, gehören dem späten 9. Jahrhundert an, dürften aber doch eher als bemalte Fenster anzusehen sein, wo mit Farbe das Glas bemalt worden ist und nicht im Sinne der Glasmalerei aus farbigem Glas zusammengesetzte Bilder gewesen sein. Die ältesten Glasmalereien, die auf uns gekommen sind, entstanden kurz nach 1000, so eine Scheibe im Museum in Darmstadt und die Fenster des Augsburger Domes um 1130 und die der französischen Abteikirche St. Denis um 1140 und die Westfenster der Kathedrale von Charteres.
Die Technik der Glasmalerei wurde erstmals von dem Mönch und Goldschmied Theophilus Presbyter um 1100 in Paderborn beschrieben. Der Künstler entwirft zunächst nach Vorstudien einen Karton in Originalgröße des Fensters. Darauf ist die Visierung zu erkennen, das heißt die schwarz eingezeichneten kräftig verlaufenden Konturen der küntigen Bleistege. Nach diesen dort gegebenen Umrissen werden aus dem in der Masse gefertigten Glas die einzelnen Scherben herausgearbeitet, das vor allem im Mittelalter schwierig war, weil erst im 16. Jahrhundert der scharfe Diamant als Glasschneider zur Verfügung stand. Die so gewonnenen Einzelteile werden nun mit dem Schwarzlot, einer aus pulverisiertem Glas und Metalloxyden mit einem Bindemittel angemengten schwärzlich-bräunlichen Farbe mit einer Binnenzeichnung versehen. Dann kommt es zum Brand bei einer Temperatur von 600° bis 800° und danach werden die Einzelscherben wie bei einem Puzzle zusammengesetzt, entsprechend dem Verlauf der Konturen und mit H-förmigen Bleiruten zu einem festen Gefüge verbunden. Das so fertige Fenster wird nun in einen Eisenrahmen eingehängt, über den noch die waagerechten Sturmstangen und die senkrechten Windruten das Werk gegen Witterungsunbilden absichern.
Es gibt noch eine zweite Technik, die mit Oberfangglas arbeitet. Dabei wird farbloses Glas mit einem dünnen gefärbten Glas überfangen und dann durch Schleifen eine Art Aquarellierung eingebracht - je nachdem wird der Farbton intensiver oder wäßriger und lichter.
In der Glasmalerei gibt es nur Fläche, keine Perspektive. Allenfalls mit dem Schwarzlot kann Räumlichkeit aufgebracht werden. Die bevorzugten Farben der Glasmalerei sind Rot, Blau, Violett, Grün, Braun und Weiß, sowie schweflig gelbe Silberlote oder goldgelbe, je nachdem welche beinahe alchemistische Mischungen die Glaswerkstatt hervorbringt.
Zur höchsten Blüte kam die Glasmalerei im 13. Jahrhundert während der Gotik in Frankreich, im 14. und 15. Jahrhundert folgen in Deutschland die großen Verglasungen im Kölner Dom, in Erfurt, Regensburg und Stendal.
Die Neuzeit, besonders die Barockzeit verursachte einen Niedergang der Glaskunst, die allenfalls für Kabinettscheiben mit Adelswappen benötigt wurde, weil das Licht als gestaltender Faktor in die Architektur der Festsäle und Kirchenräume mit einbezogen worden ist und nicht mehr eine mystische Abdämpfung der Räume von grellen Tageslicht wie im Mittelalter notwendig war.
II.
Erst das 19. Jahrhundert brachte mit den Nazarenern eine Wiederbelebung der Glasmalerei, da diese Künstler, alles deutsche Protestanten, die als Künstler in Rom sich als Bruderschaft vom heiligen Lukas ein romantisch-mystisches Glaubensverständnis entfalteten. Ihr Name geht auf die von ihnen übernommene Gewohnheit zurück, das Haupthaar entsprechend einer Haartracht zu tragen, von der man damals glaubte, daß sie zu Jesu Zeiten die Bewohner in Nazareth getragen hätten: Entsprechend scheitelten sie es in der Mitte und ließen es über die Schulter lang wachsen. Ich halte diese Tracht aber eher einem altdeutschen Bemühen entsprungen, nämlich entsprechend dem Italienaufenthalt Dürers das Haar zu tragen. Somit trugen sie selbst einen Gesichtstypus, den sie in ihren religiösen Bildern gestalten wollten, auch persönlich zur Schau. Ihre Vorbilder waren unter anderen Raffael, aber auch Zeitgenossen wie der Franzose Jean Doninique Ingros. Künstlerisch führende Persönlichkeit war Peter von Cornelius, der vor 1820, wahrscheinlich um 1800, ein Christusantlitz schuf, das für die gesamte christliche Kunst des 19. Jahrhunderts prägend war und beinahe typisiert angesehen werden kann.
In Overbecks sogenanntem Lentulusbrief ist es näher beschrieben: Das Antlitz, das Milde ausstrahlt und von unvergleichlicher Schönheit ist. Christus ist sanft, liebenswürdig, anziehend, unwiderstehlich. Er hat einen in der Mitte geteilten Bart, himmelblaue Augen, kastanienbraunes, stets unbedecktes langes Haar.
In der Glasmalerei kommt es erst nach 1870 zu einer echten Renaissance, als nämlich das Deutsche Reich sich mittels der Staufer-Tradition der Hohenzollern zu legitimieren sucht und entsprechend historistische Ansätze macht. Dazu gehört neben der Gestaltung der Kaiserkrone vor allem die Wiederbelebung mittelalterlicher Techniken, von der Architektur der Neugotik angefangen, wo der Kölner Dom und seine Vollendung als Symbol einer neuen deutschen Einheit angesehen wird bis hin zur Wiederbelebung der Mosaikkunst (Maria Laach) und der Glasmalerei. Tüchtige Manufakturen, wie Gustav van Treeck in München, die Mayrsche Hofkunstanstalt in München, aber auch Oidtmann in Linnich und andere haben hier Pionierdienste geleistet. Direkt beeinflußt ist von dieser Restauration des Reichsgedankens in jener neu geschaffenen deutschen Einheit auch die Gedächtniskirche in Speyer, die ja direkt auf Grund preußische Einflußnahme und Vollendungsgarantie des Kaisers Wilhelm II. zurückgeht.
III.
Sie werden, meine sehr verehrten Damen und Herren, gemerkt haben, daß wir unmerklich bereits mitten in der Entstehungszeit der Eisenberger Kirchenfenster angekommen sind. Das Christusantlitz habe ich Ihnen schon beschrieben - sie finden es im Apsisfenster wieder. Das Thema dieses Fensters wurzelt in drei Bildwelten, in einer mittelalterlichen, die sich im Formalen äußert, in einer reformatorischen Programmatik und in einer zur Entstehungszeit zeitgenössischen und damit hochaktuellen.
Der Rückgriff auf mittelalterliche Formen zeigt sich in der rahmenden Architektur des Fensters, wo die drei Figuren Christus, Paulus und Martin Luther in baldachinartige, gewölbte Nischen eingestellt sind. Das Nischenrund wird von goldfarbenen Diensten mit tellerförmigen Kapitellen gebildet und schließt nach oben in einem rundbogigen Gewölbe ab. Die Nische wird eingefaßt von einer in weißem Glas gestalteten Rahmung, die Architekturmotive, wie wir sie im Mittelalter in Glasfenstern des Freiburger Münsters, etwa dem 1320 entstandenen Fenster der Malerzunft finden. Die Wimperge mit den blau unterlegten Vierpässen finden sich durchaus vergleichbar im Fenster der Malerzunft. Von Freiburg und gerade diesem Fenster abhängig sind auch in Eisenberg die blauen Ornamentscheiben in den Medaillons über den drei einzelnen Lanzetten. Das Verhältnis von Architekturrahmung und Figuren ist ähnlich gelöst wie in diesem mittelalterlichen Beispiel. Doch sind im 14. Jahrhundert die Künste eng verzahnt. Man findet derartige Motive auch in Buchmalereien des 14. Jahrhunderts am Oberrhein, also rund um Freiburg. Meist sind diese Arbeiten in oberrheinischen Dominikanerklöstern entstanden. Die mittelalterlichen Vorbilder für das Eisenberger Fenster bezwecken die Verwurzelung des neu geschaffenen Fensters in der mittelalterlichen Kunstlandschaft des Oberrheins und bilden zugleich eine lokale Komponente, weil auch der Raum der Pfalz und damit auch Eisenbergs im 15. und 16. Jahrhundert eine Art Brückenkopffunktion für die Kunstlandschaft Oberrhein besitzt.
Das Thema des Fensters ist eine reformatorische Abwandlung des schon seit frühchristlicher Zeit geläufigen Motivs der sogenannten Traditio legis, der Übergabe der Gesetzesrolle. In den spätantiken Beispielen steht Christus zwischen den Aposteln Petrus und Paulus und überreicht beiden eine Gesetzesrolle. Er steht auf einem erhöhten Sockel während die Apostel deutlich unter ihm plaziert sind. Dieses Motiv ist auch bei dem Fenster des 19. Jahrhunderts beibehalten worden. Christus steht vor einer Thronarchitektur auf einem Subpedaneum in Kontrapoststellung, umfangen von einem aus der Mandorla abgeleiteten Strahlenkranz in ganz eigenwilliger Gestaltung. Er trägt einen leuchtend roten Chlamys, aus dem das weiße Untergewand hervorlugt. Er hat beide Arme segnend ausgebreitet. Anstelle der Schriftrolle ist ein einladender Gestus getreten, den unser Glasmaler von einer ebenfalls zu Beginn des 19. Jahrhunderts von dem dänischen in Rom lebenden Bildhauer Berthel Thorvaldsen geschaffenen Christusfigur für Kopenhagen entlehnt hat. Dieser einladende Christus fand im 19. Jahrhundert weite Verbreitung. Wir finden ihn auf Friedhöfen, als Kopie auf manchen Altären, so auch am Hochaltar der Speyerer Gedächtniskirche.
Die seitlich von Christus in dem überlieferten ikonographischen Vorbild plazierten Apostelfiguren Petri und Pauli sind hier uminterpretiert worden. An Stelle des Petrus ist Martin Luther getreten. Paulus, dessen Gesichtstypus seit der Spätantike neben den Gesichtern Christi und Petri festlag, wird mit gerolltem Haar und einem länglichen spitz zulaufenden Bart dargestellt. Dieser Bart leitet sich von dem Philosophenbart der Antike her, beispielsweise von der Gestalt Platons. Dazu tritt eine breite Stirne. Die Paulusfigur wird in der Neuzeit als Mann von starker Körperkraft entsprechend den Aussagen der Apostelgeschichte dargestellt. Zu seinem Attribut zählt das Schwert, weil Paulus als römischer Bürger nicht wie Petrus gekreuzigt werden durfte, sondern nur mit dem Schwert hingerichtet werden konnte. Natürlich hat dieses Schwert auch über die attributiven Hinweise auf das Martyrium hinaus eine Rolle als Zeichen der Schärfe der Paulinischen Verkündigung. Darauf deutet die mit der Hand über den Schwertknauf verlaufende Schriftrolle, die aus dem Korintherbrief zitiert: "Wir aber predigen den gekreuzigten Christum."
Paulus gegenüber, beide in Kontrapost leicht Christus zugewandt, steht Martin Luther, mit der Schaube gewandet, einer Gelehrtenkleidung, wie sie an den Universitäten üblich war. Er hält die Bibel vor sich, auf die er demonstrativ die Faust gelegt hat. Das Gesicht Luthers geriet in der Glasmalerei in den Konturen ein wenig weicher als die markanten Züge des Lucas-Cranach-Portrait und jugendlicher gezeichnet. Eher scheint dem Glasmaler eine Vermengung des Cranach-Typus mit der Darstellung des jugendlichen Luther nach Hans Baldung-Grien vorgeschwebt zu haben. Dahinter steckt Absicht, denn neben die alte Gestalt des Paulus ist die jugendliche Gestalt Martin Luthers getreten, der kraftvoll die alte Wahrheit in neuer Zeit vertritt. Gleichzeitig ist auch eine Lebensaltersituation mit eingebunden, die seit Dürer und Baldung-Grien bei Aposteln üblich geworden war und hier in dem Paar Paulus-Luther durchgespielt worden ist. Der Glasmaler wollte wohl auf den alle Lebensphasen betreffenden und in allen Lebensphasen zu bezeugenden Glauben mit jeweils unterschiedlichem Temperament hinweisen. Der Grundtenor bei beiden Figuren ist jedoch ein kämpferischer.
Luther und Paulus vertreten zugleich eine politische Komponente, auf die dankenswerter Weise Rolf Blüm in seinem Aufsatz im Donnersberg-Jahrbuch 1991 hingewiesen hat. Sicherlich steht die Gruppe mit Christus, Paulus und Martin Luther im Zeichen der Deutschen Vereinigung nach 1871. Darauf weist nicht nur das Reichswappen mit dem Reichsadler, dem preußischen Adler hin, neben dem das bayerische Wappen steht. Das bayerische Wappen deutet an, daß die Pfalz damals zum Königreich Bayern als achter Kreis gehörte.
Leider ist dieses Fenster nicht signiert, so daß wir es nicht sicher zuweisen können. Gewisse stilistische Tendenzen gemahnen jedoch an die Möglichkeit, den Münchener Gustav van Treek, von dem in der Pfalz auch die Christusfiguren in der Fensterrose von Höheinöd stammt, als Entwerfer anzunehmen. Dies freilich muß noch genauer untersucht werden.
IV.
Die rückwärtige Rosette über dem Ausgang ist ein hochkompliziertes Werk, das Rolf Blüm nur sehr summarisch in seinem Artikel gewürdigt hat. Es unterscheidet sich in stilistischer Hinsicht von dem Fenster in der Apsis. Außerdem trägt es die Signatur der damals bekannten Mannheimer Glasmanufaktur Kriebitzsch und Voege, die wir auch bei der Ausgestaltung der Speyerer Gedächtniskirche beteiligt finden. Dargestellt ist in diesem Fenster die Erlösungshoffnung des Christen. Für diese Thematik waren schon seit dem Mittelalter die rückwärtigen, meist westlichen Fenster und Wände beliebt. Hier in Eisenberg haben Kriebitzsch und Voege 1900 in den Mittelpunkt einen knienden, also in adorierender Haltung Harfe spielenden König David dargestellt. Sein Podest sind die Mauern des von ihm gegründeten irdischen und analog gedachten himmlischen Jerusalem. Das Psalmengebet, das als Schriftrolle die Darstellung des mit seiner Musik betenden Königs ist, ist dem Psalm 100 entnommen und lautet: "Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat." Dieses himmlische Jerusalem steht nun im Mittelpunkt des Erdkreises. Der Künstler hat diesen Erdkreis ganz der mittelalterlichen Vorstellung entnommen und ein mittelalterliches Weltbild dargestellt. Die Scheibe mit Jerusalem als Mittelpunkt wird umgeben von den vier Strömen des Paradieses. Sie sind als antike Brunnenmasken personifiziert als Pischon, der Hawila umfließt, als Gihon mit der Landschaft Kusch, als Euphrat und Tigris. Die dazu gehörige biblische Aussage findet sich in der Genesis. Die Wasser der vier Flüsse vereinigen sich nun zu einem Strom, der das himmlische Jerusalem umfließt. Dazu treten als Hinweis auf das bewohnte, durch die grüne Bepflanzung angedeutete Erdenrund die vier Himmelsrichtungen mit der aufgehenden Sonne im Osten und der untergehenden Sonne im Westen.
Das irdische Weltbild findet seine Vollendung in den über der Erdscheibe, der Sphaira, stehenden Gestirnen, dem Firmament, das von zwei Engeln getragen wird. Unter der Erde ist die Unterwelt, in die ein Lichtstrahl eindringt und Cheol, den die Welt durchteilenden Riß andeutet. Dazwischen sitzen als eine Art heraldischer Spielerei zwei Löwen, ein Hinweis auf das Attribut des David, Löwe von Juda zu sein. In diesem Weltbild wird die Erlösungshoffnung und die Erlösungsbedürftigkeit des Christen angemahnt und jeder beim Ausgang auf diese hingewiesen. Es ist durchaus ein lehrhafter Bekenntnischarakter in diesem kosmischen Thema enthalten, das freilich so lehrhaft ist, daß es erst durch Interpretation erschlossen werden muß. Das Programm dieses Fensters muß ein gebildeter Theologe mitentworfen haben.
Die Seitenfenster besitzen Ornamente, frei gestaltete leicht
jugendstilige, die einen dritten Stil in die Glasmalerei dieser Kirche
einbringen. So ist, um mit Martin Luther zu sprechen, "das Bild"
in Ihrer Kirche durchaus ein löblicher Prediger.
Clemens Jöckle