Die Güte des Herrn ist’s, daß wir nicht gar aus sind, seine
Barmherzigkeit hat noch kein Ende.
< Klagelieder 3, Vers 22 >
Wir leben noch im Jahr 95, doch unsere Planungen und Erwartungen sind
längst im Jahr 96, wir wickeln nur noch ab. Es ist, wie wenn wir ein
neues und unbeflecktes Schulheft anfangen wollen und erst noch das alte und
befleckte vollschreiben müssen. Unsere Erwartungen und Hoffnungen liegen
auf dem kommenden Jahr, das wie ein neues Schulheft vor uns liegt. Das alte
mit seinen Fehlern und Flecken, unserem vergeblichen Bemühen, etwas
ohne Flecken und Fehler machen zu können, soll schnell zugeschlagen
werden. Doch schlagen wir es bewußt zu, lassen wir uns daran erinnern,
daß trotz allem Bemühen Fehler auftauchen, Unsauberkeiten vorkommen
und Unsinn sich trotz Sinnsuche einschleicht.
Wenn wir meinen: endlich ist es geschafft, und eine Seite ist ohne Flecken,
bekommen wir gleich eins drauf, und wir benötigen alle Kraft, um das
zu überstehen. Ja, eigentlich ist das eine hoffnungslose Sache, ein
Kampf gegen die berühmten Flügel der Windmühle, der die Kraft
erlahmen läßt. Es gibt Religionsgemeinschaften, die trösten
damit, daß alles vorherbestimmt ist oder es einen ewigen Kreislauf
der Natur gibt, in den wir uns einfinden müssen. Unser Glaube sieht
die Sache etwas anders: da gibt es einen Anfang und ein Ziel, und der Weg
zum Ziel ist bestimmt von Abweichungen und Irrungen, die in das Elend
führen. Doch da gibt es einen Gott, und der hat etwas mit uns vor, und
seine Güte und Barmherzigkeit lassen es nicht zu, daß wir auf
dem falschen Weg bleiben, er führt uns weiter zum Ziel, uns und seine
ganze Schöpfung, und das Ziel ist nicht das Chaos, sondern das Leben
in der Fülle. Auch das Jahr 96 ist sein Jahr.
Ihr
Pfarrer F. Schmidt