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Protestantische Kirchengemeinde
Gemeinschaft und Vertrauen STEINBORN: 22 Gläubige wollen mit durchwachter Osternacht den Leidensweg Christi nachempfinden 22 Gläubige besuchten in der Nacht zum Ostersonntag den Gottesdienst im Haus der Kirche in Steinborn. Um den Leidensweg Christi nachzuempfinden, kämpften sie gegen ihre Müdigkeit. 17 schafften es, ohne ein Auge zuzudrücken. Rund 90 Kirchgänger besuchten den Auferstehungsgottesdienst am frühen Morgen. Es ist 24 Uhr und fast stockdunkel im Haus
der Kirche. Von draußen werfen Straßenlaternen Schatten
durch die Fenster. Nur auf dem Altar brennt eine Kerze. Plötzlich
geht die Tür auf und ein Mann betritt den Raum. Er schließt
die Tür hinter sich. 22 Menschen folgen ihm auf die gleiche
Weise. „Ich bin die Tür. Sie ist allen geöffnet”, zitiert
Pfarrer Karl-Ludwig Hauth Worte Jesus Christus und beginnt mit dem
zweiten Gottesdienst für die Osternacht. Thema ist die Dunkelheit
der Nacht, die die Angst der Menschen symbolisiert. Jeder der 22
Besucher bekommt eine Kerze in die Hand gedrückt. Mit ihrem
brennenden Licht zünden sie Teelichter auf den Fensterbänken,
der Orgel und auf dem Altar an. Die Atmosphäre im Sakralraum
ist nun warm und gemütlich, von unheimlichen Schatten keine
Spur mehr. „Jesus ist das Licht der Welt”, sagt Pfarrer Hauth. Denn
wie dunkel es auch sein möge, Jesus sei immer für die
Menschen da. „Jesus ist das Licht der Welt”. Dies war
ein Thema im Mitternachts- Das ist der Grund, warum 22 Menschen mit dem protestantischen Pfarrer eine schlaflose Nacht ausharren wollen. „Ich möchte den Leidensweg, den Jesus am Kreuz gelitten hat, nachempfinden. Deshalb werde ich heute kein Auge zudrücken”, sagt Sarah Beck aus Eisenberg entschlossen. Der Gottesdienst schenke ihr Halt, so die 37-Jährige. Um nicht müde zu werden, bastelt sie in den Pausen mit Nichte Eva Grünental (15). Mit ihnen am Basteltisch beklebt Alina Schuhmann gerade ein Lesezeichen mit buntem Sand. „Ich wollte schon immer einmal eine Osternacht mitmachen”, gesteht die Zwölfjährige aus Göllheim, die regelmäßig in die Kirche geht. „Heute gefällt es mir besonders gut, der Gottesdienst ist anders als sonst: Lockerer und kürzer, aber dafür gibt es die ganze Nacht Programm.” Außerdem sei es schön, dass es im Keller des Hauses drei verschiedene Aufenthaltsräume gebe: Das Bistro mit einer kleinen Küche, den Bastelbereich und vorsorglich einen Schlafraum. Im Flur führt eine Treppe hoch in den Eingangsbereich und den Kirchenraum. Plötzlich klirrt ein Windspiel am Treppenaufgang, alle wissen: Der Pfarrer ruft zum Stundengebet. Gemeinsam werden Lieder gesungen. „Gemeinschaft und Vertrauen stehen im Vordergrund der Osternacht. In den Pausen unterhalten sich die Besucher, basteln oder gehen spazieren, um gemeinsam gegen die Müdigkeit zu kämpfen. Im Gottesdienst beten sie nebeneinander. Das schweißt zusammen”, erklärt Pfarrer Hauth. Um 22 Uhr habe er die Osternacht mit dem Gottesdienst zum Schöpferlob begonnen, in einer Stunde wird es noch einen geben. „Insgesamt drei Gottesdienste gibt es in der Osternacht und zu jeder vollen Stunde ein Stundengebet. Zum Auferstehungsgottesdienst um 5.30 Uhr sind alle eingeladen, auch die, die nicht die ganze Nacht gewacht haben.” Alle drei bis vier Jahre organisiert die protestantische Kirchengemeinde eine Osternacht. „Für jedes Jahr sind die Vorbereitungen einfach zu aufwendig”, so Pfarrer Hauth, der bereits im November Ideen für die Gestaltung seiner Ostergottesdienste gesammelt hat. „Für mich bedeutet die Osternacht Meditation. Ich kann meine Gläubigkeit voll ausleben”, sagt Isabella Stegmann (51). „Doch ich bin gerade sehr müde”, gibt sie zu. Ob sie und die anderen es geschafft haben?
Karl-Ludwig Hauth am nächsten Tag: „Von 22 haben es 17 Besucher
geschafft, die Nacht durchzustehen. Und rund 90 Menschen besuchten
den Auferstehungsgottesdienst. Zum Osterfrühstück blieben
immerhin 55 Gäste”, sagt er fröhlich. Einige brachten
sogar selbstgebackenen Kuchen und Rosinenbrötchen mit. „Die
Osternacht ist voll und ganz gelungen. Jetzt bin ich aber Nils fragt: Warum gibt es Gottesdienste in der Osternacht? Dass es in der Kirche früh morgens, mittags und abends Gottesdienste gibt, wisst ihr sicherlich. Nachts brauchen Menschen ihren Schlaf, also finden keine Gottesdienste statt. An Ostern ist das anders: In der Nacht auf Ostersonntag gedenken viele Kirchen der Auferstehung Christi: Für uns Menschen ist er am Karfreitag am Kreuz gestorben und wurde in einer Höhle beerdigt. Doch wie durch ein Wunder erwachte er zwei Tage später wieder zum Leben und verließ seine Grabstätte. Das war am Morgen des Ostersonntags. Weil sein Tod am Kreuz sehr schmerzhaft war, möchten viele Gläubige sein Leiden nachempfinden. Seit dem ersten Jahrhundert nach Christi Geburt gibt es die Tradition, dass sich Menschen zwingen, eine ganze Nacht lang auf zu bleiben. Um nicht einzuschlafen, laden die evangelischen und katholischen Kirchen mitten in der Nacht zu Gottesdiensten ein. (jsb) DIE RHEINPFALZ - Unterhaardter Rundschau - Nr. 84, Dienstag, 10. April 2012, Seite Nr. 21 |