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Protestantische Kirchengemeinde
Sphärische Klänge über den Dächern der Stadt Ungewöhnliche Orte (Teil 6): Im Glockenturm der protestantischen Kirche Von Ursula Kaiser-Baldauf EISENBERG. „Süßer die Glocken
nie klingen, als zu der Weihnachtszeit...“ Der Aufstieg zu den Glocken ist nicht einfach. Zunächst geht es eine Treppe hoch, die auch zu den oberen Räumen der Kirche führt. Dann schließt sich eine enge steinerne Wendeltreppe an. Diese führt über eine Leiter zu einem Raum oberhalb des Kirchenschiffs und noch weiter oben zur Glockenstube. „Kopf einziehen und gebückt bleiben, bis das Ende der Stiege erreicht ist“, warnt Pfarrer Karl-Ludwig Hauth. Dann ist der Glockenstuhl erreicht. Verwunderlich! Leise, fast sphärisch anmutende Klänge durchschwingen den Turm. Auch Pfarrer Hauth, seit 1990 in Eisenberg, zeigt sich beeindruckt: „Das ist erst das zweite Mal, dass ich diese Töne hier höre. Nur wenn der Wind in einer bestimmten Stärke und in einem speziellen Winkel auf den Glockenturm trifft, erzeugt er dieses Klangerlebnis.“ Gleich wird es wesentlich lauter. Der Stundenschlaghammer schlägt auf eine der Glocken und verkündet so die Uhrzeit. Besondere Fensterläden reduzieren den Schall und machen die Lautstärke für die Nachbarn erträglich. „Wenn das richtige Glockengeläut einsetzt, kann man es hier oben nicht aushalten“, beschreibt Pfarrer Hauth das Klangvolumen der Glocken. Schon durch Anschlagen mit der bloßen Faust entsteht ein beachtlicher Ton. Die Glocken mit der Hand zu läuten, ist bei ihrem enormen Gewicht unmöglich. Ein Elektromotor bringt über ein Seilrad die Glocken zum Schwingen. Durch Anschlagen des Klöppels auf dem unteren Teil der Glocke, dem Schlagring, entsteht dann der charakteristische Schlagton. Die Glockentöne der protestantischen und der katholischen Kirche in Eisenberg sind aufeinander abgestimmt und ergeben beim gemeinsamen Läuten ein harmonisches Klangbild. Was man, wie Hauth erklärt, jeden Sonntag viertel vor zehn, wenn beide Kirchen zum Gottesdienst einladen, hören kann. Die Glocken werden über eine Uhr im
Erdgeschoss des Kirchturms gesteuert. Das Geläut im 63 Meter hohen Turm umfasst drei 1951 gegossene Bochumer Gussstahlglocken und eine Bronzeglocke. Diese ist als einzige von den vier Bronzeglocken aus dem Einweihungsjahr der Kirche 1900 noch erhalten. Die anderen drei wurden im zweiten Weltkrieg vom Hitlerregime beschlagnahmt und eingeschmolzen. Jede der Glocken hat einen Namen und eine besondere liturgische Aufgabe: Die Bronzeglocke Clara ist mit 750 kg die kleinste und dient vor allem als Taufglocke. Angela, 1470 kg, wird auch als Vaterunserglocke bezeichnet. Irene, 1670 kg, ruft zum Abendgebet, und Gloriosa betrauert mit ihren 2676 kg die Verstorbenen. Jede Glocke wird über eine Uhr im Erdgeschoss
des Turmes gesteuert. Vereinzelt oder zusammen, je nach Anlass,
sind die Kirchenglocken täglich um zwölf Uhr mittags und
abends um 18 Uhr zu hören. Sonntags bitten sie zum Gottesdienst
und sie verkünden Taufen, Hochzeiten und den Tod. Wie in Schillers
Lied von der Glocke beschrieben: DIE SERIE „Ungewöhnliche Orte“, die man nicht alltäglich zu Gesicht bekommt und die eine Geschichte zu erzählen haben, stellen wir in einer Serie vor. DIE RHEINPFALZ - Unterhaardter Rundschau - Nr. 287, Freitag, 10. Dezember 2010, Seite Nr. 15 |